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Der Investmentblog von Philipp Haas

(Schein) – Stabilität bei Staatsanleihen

18. Mai 2016 von Patrick Schubert

Sehr geehrte Dividenden-Investoren,

angenommen, man würde Ihnen die Frage stellen: Welches Land würden Sie, nur anhand der Häufigkeit der Regierungswechsel betrachtet, als politisch stabiler einschätzen?

Ein Land, in dem es innerhalb der letzten 50 Jahre praktisch nur eine Regierung gab? Oder ein Land, das in demselben Zeitraum über 60 unterschiedliche Regierungen gesehen hat? Für welches Land würden Sie sich entscheiden?

Sicherlich tippen die Meisten auf das Erste – hierbei handelt es sich um Syrien. Seit Hafiz al-Assad, der Vater des heutigen Präsidenten Baschar al-Assad, 1970 putschte und die Macht an sich
riss, genoss Syrien bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2011 den Ruf eines oberflächlich betrachtet stabilen Landes innerhalb einer doch sehr instabilen Region. Mit dem Beginn der Demonstrationen gegen das Assad-Regime war die oberflächliche Stabilität vorbei und die gesellschaftlichen und politischen Spannungen entluden sich in einem seit nunmehr fünf Jahren
andauernden, blutigen Bürgerkrieg.

Das augenscheinlich weniger stabile Land ist in diesem Fall Italien. Im Durchschnitt besitzt eine italienische Regierung eine Lebenszeit von unter einem Jahr. Warum, fragen Sie jetzt, dieser
Vergleich?

Anders als in einer Demokratie, in der Interessen von unterschiedlichen Gruppen ständig unter viel Getöse austariert werden müssen, werden diese in einer Diktatur einfach unterdrückt.
Leider verschwinden gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Spannungen nicht einfach per Handstreich sondern sie bauen sich auf, bis ein Punkt kommt, an dem sie sich ruckartig entladen. Ist dieser Tipping Point erreicht, kommt es zu einem Umsturz.

Das Ganze ist vergleichbar mit dem Spannen einer Feder. In Syrien entlud sich die Spannkraft der Feder ruckartig und mündete in einem Bürgerkrieg. In Italien wird die Spannung der Feder immer wieder durch einen Regierungswechsel und den demokratischen Diskurs abgebaut. Drückt man es graphisch aus, sieht es folgendermaßen aus:

Demokratie vs. Diktatur

demokratie_vs_dikt

In einer Diktatur gibt es oberflächlich betrachtet keinen Diskurs. Bis es im wahrsten Sinne des Wortes knallt und die unter der Oberfläche brodelnden Spannungen zum Vorschein treten. Die Feder entlädt sich ruckartig durch einen Staatstreich, Systemcrash oder dergleichen.  In einer funktionierenden Demokratie werden die Spannungen täglich in der Konsensfindung abgebaut, graphisch zu
sehen am ständigen Auf und Ab. Auch wenn der Diskurs in einer Demokratie oft mühselig ist, verhindert er doch, dass sich Spannungen über einen längeren Zeitraum aufbauen können. Langfristig betrachtet sind liberale Demokratien robuster als die augenscheinlich stabiler wirkenden Diktaturen. Wobei wir bei einer bemerkenswerten Erkenntnis angekommen sind.

Variation erhöht die Überlebenschancen des Gesamtsystems!

Dinge, die auf den ersten Blick stabil erscheinen, sind sehr oft zerbrechlich und bergen das Risiko eines totalen Zerfalls. Dinge, die eine gewisse Variation zulassen, wirken hingegen augenscheinlich instabiler, besitzen langfristig aber bessere Überlebenschancen. Ständige Variation zwingt einen Organismus oder
ein System, sich ständig anzupassen. Findet keine stetige Anpassung statt, kommt es an einem Punkt zu einer Zwangsanpassung. Dasselbe Prinzip lässt sich auch auf andere Bereiche übertragen.

Eine Marktwirtschaft ist ständige Variation!

Freie Märkte, an denen die Preise variieren, bilden die unterschiedlichen Vorstellungen von Verbrauchern und Konsumenten ab. Angebot und Nachfrage erzeugen auf freien Märkten einen Preis,
auf den sich die Mehrheit einigen kann – vergleichbar mit einem demokratischen Prozess.

Preisänderungen sind in einem gewissen Maße gesund, weil sie Anpassungen an sich verändernde Bedingungen signalisieren. Nirgends ist dieser Umstand besser zu beobachten als an den
Wertpapierbörsen. Das tägliche Auf und Ab der Kurse spiegelt die sich verändernden Vorstellungen der Anleger und Spekulanten wider.

Manipulation und Stabilität bei Staatsanleihen?

Nehmen wir als Beispiel den Staatsanleihenmarkt. Hier legen die Staaten Anleihen auf, welche dann von Banken, Versicherern und anderen Finanzinvestoren gekauft werden. Der Preis der Anleihe
würde sich in einem freien Markt durch Angebot und Nachfrage ergeben. Da Staatsanleihen meistens auf einen festen Coupon, eine feste Verzinsung, emittiert werden, ergibt sich aus dem Kurs der
Anleihe und der nominalen Verzinsung die effektive Rendite.

Die nachfolgende Grafik zeigt die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen für ausgewählte Euro-Länder bis zum Jahr 2012. Sie erinnern sich, damals entlud sich die Feder und die Eurokrise erreichte zumindest in der medialen Wahrnehmung einen Höhepunkt. (weitere Erläuterungen finden Sie in meinem Buch Die Billionen Blase)

Zinsverlaufskurven EURO-Staaten bis 2012

zinsverlauf_bis_2012

Quelle: Eigene Darstellung, Daten: EZB
und EuroStat

Die Zinssätze stiegen und drifteten auseinander. Insbesondere Griechenland geriet in den Fokus der Wahrnehmung und stand kurz vor der „offiziellen“ Pleite.

Der Euro als Gemeinschaftswährung hatte seit seiner Einführung Ende der 1990er Jahre eine dämpfende Wirkung auf die Zinsen in den Euro-Ländern. Jedoch blieben die Spannungen zwischen den
unterschiedlichen Ländern, was ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angeht, bestehen.

Die Spannungen traten dann mit der Finanzkrise von 2008 hervor. Die Feder entlud sich und die Zinsen stiegen. Ab 2009 sprang die EZB ein und begann mit dem Kauf von Staatsanleihen und anderen
Hilfsmaßnahmen, die Renditen auf europäische Staatsanleihen zu senken und damit die Länder vor dem Konkurs zu bewahren. Die EZB dämpfte wieder die Variation. Die Lage stabilisierte sich soweit,
dass das Thema Eurokrise aus der medialen Wahrnehmung verschwand. Nachfolgend die Zinsverlaufskurven mit aktualisierten Daten bis Anfang 2016:

Zinsverlaufskurven EURO-Staaten bis 2016

zinsverlauf_bis_2016

Quelle: Eigene Darstellung, Daten: EZB
und EuroStat

Die Zinsen, die Griechenland auf dem „freien“ Kapitalmarkt zahlen muss, haben sich seit 2012 mehr als halbiert. Man muss noch anfügen, dass die Zinskurve für Griechenland aktuell kaum noch eine
Aussagekraft besitzt, da das Land von direkten Geldern aus Brüssel und Frankfurt künstlich beatmet wird. Ohne EU-Gelder würde kein Investor Griechenland für aktuell 9,5 Prozent Geld leihen!

Die Feder wird wieder gespannt

Der Eingriff der EZB führte im Endeffekt wieder zu einer Konvergenz der Zinsen. Die Zinsen sind niedrig und bieten genügend Spielraum um die Wähler zu beruhigen und harte Einschnitte zu
vermeiden. Leider blieben die Spannungen bestehen und bauen sich derzeit gerade wieder auf. Die Manipulation der EZB auf dem europäischen Staatsanleihenmarkt führte oberflächlich betrachtet
wieder zu einer stabilen Lage. Genauer betrachtet lässt die EZB keine Variation der Anleihepreise mehr zu und verhindert damit, dass sich die Staaten den veränderten Rahmenbedingungen anpassen
müssen.

Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist immer noch auf Rekordständen, weite Teile der Wirtschaft sind nicht mehr konkurrenzfähig. Strukturelle Reformen bleiben schwierig – wie die Auseinandersetzungen um die Arbeitsmarktreformen in Frankreich zeigen.

Die Feder spannt sich wieder und eine ruckartige Entladung ist vorprogrammiert. Ob die Ankaufprogramme der EZB uns noch einmal 10 ruhige Jahre verschaffen können, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall wird sich die Energie irgendwann wieder entladen müssen. Sie können tippen, wann es soweit sein wird – mein Tipp ist, wir haben keine 10 Jahre mehr.

Es bleibt spannend,

Ihr Patrick Schubert

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Filed Under: Aktien, Externer Autor Tagged With: EZB, Staatsanleihen

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