Sehr geehrte Dividenden-Investoren,
es gab in der Geschichte immer wieder Schlüsselmomente, die darüber entschieden, welche Richtung der Verlauf der Geschichte nehmen sollte. Ein einzelner Moment in der Geschichte bestimmte die Entwicklung der kommenden Jahre. Denken Sie an die Kubakrise 1962, als Chruschtschow in letzter Minute einlenkte und ein nuklearer Schlagabtausch zwischen Ost und West noch abgewendet werden konnte. Oder an Günter Schabowski, der am 9. November 1989 irrtümlich die Mauer öffnete und damit den Niedergang der DDR besiegelte.
Ein weiteres Datum, das höchstwahrscheinlich als ein Schlüsselmoment in die Geschichte eingehen wird, ist der 15. März 2017. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diesen Artikel schreibe, sind es noch gut zwei Wochen bis zu diesem Datum. Was wird an besagtem Datum passieren?
Die USA werden ihre Schuldenobergrenze erreichen, die mittlerweile bei 20 Billionen US Dollar liegt. Eigentlich ein alter Hut, da sich Demokraten und Republikaner immer wieder darauf einigten, die Schuldenobergrenze weiter anzuheben und damit die Blechdose weiter die Straße hinunterzutreten. Die Amerikaner nennen dies treffend „kick the can down the road.“ Also das Problem hinauszuschieben und auf die nächste Regierung bzw. Generation zu übertragen. Ein im politischen Tagesgeschäft häufig auftretendes Muster, siehe Eurokrise, Bankenkrise, Schuldenkrise, Flüchtlingskrise – die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Auch diesmal ist davon auszugehen, dass sich Demokraten und Republikaner nach einigem Hickhack auf eine neue Schuldenobergrenze verständigen werden. Also alles wieder einmal nur hohle Luft und mediale Panikmache um Nichts? Leider nicht, denn diesmal sind die Rahmenbedingungen denkbar ungünstig.
Government Shutdown?
Nach der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten sind die Gräben zwischen Demokraten und Republikanern so tief wie noch nie. Auch zwischen Trump und seiner Partei bestehen tiefe Risse. Es ist gut möglich, dass sich die Verhandlungen einige Wochen bis Monate hinziehen können. Weder Demokraten noch Republikaner wollen die Schuldengrenze erhöhen.
Laut Schätzungen besitzt das amerikanische Finanzministerium Rücklagen in Höhe von 200 Mrd. Dollar. Gleichzeitig verbrennt die US Regierung ca. 75 Mrd. Dollar pro Monat. Mit den eingehenden Steuereinnahmen und den Rücklagen dürfte es spätestens im Sommer eng werden.
Zur Erinnerung, zum Jahreswechsel 1995/96 kam es zu einem „Shutdown“ der US-Regierung für 27 Tage. Bei einem Anteil der US Regierung am Bruttosozialprodukt zwischen 1/5 bis 1/3 sind die Auswirkungen eines Shutdowns auf die US Wirtschaft nicht zu verachten.
Viel Zündstoff bieten außerdem die möglichen Konsequenzen eines Shutdowns auf den amerikanischen und globalen Anleihemarkt und die Aktienmärkte. Seit Oktober 2016 zieht die Rendite für 10-jährige US Staatsanleihen wieder an und liegt mittlerweile bei 2,5 Prozent. Zum Vergleich, das deutsche Pendant tendiert knapp über der Nulllinie. Sollte keine Einigung gefunden werden oder diese sich über den Sommer hinauszögern, droht ein Abverkauf bei amerikanischen Staatsanleihen.
Welche Konsequenzen die Unsicherheit und steigende Zinsen für die weltweiten Aktienmärkte haben dürften, muss man niemandem erläutern. Aktuell befindet sich der US Aktienmarkt in einer Blase. Die Bewertungen basieren im Grunde auf der Annahme, billiges Geld werde bis in alle Ewigkeit fließen. Nachfolgend sehen Sie die Marktkapitalisierung der 5000 börsennotierten US-Unternehmen (Wilshire 5000) geteilt durch das US-Bruttosozialprodukt – auch bekannt als Buffett-Indikator.
Quelle: US. Bureau of Economic Analysis, Gross Domestic Product [GDP], retrieved from FRED, Federal Reserve Bank of St. Louis https://research.stlouisfed.org/fred2/series/GDP/, March 02, 2017.
Der Buffett-Indikator ist sehr robust und bietet einen Anhaltspunkt für eine generelle Über- bzw. Unterbewertung am Aktienmarkt. Aktuell toppt das Bewertungsniveau selbst die 2000er Jahre. Damals explodierten die Kurse für Internet-Aktien, während der Gesamtmarkt sich nur moderat nach oben bewegte. Heute ist die Überbewertung ein Phänomen, das sich quer durch alle Sektoren zieht – die Fallhöhe ist dementsprechend hoch.
Donald Trump könnte dasselbe Schicksal ereilen wie Günter Schabowski – den Lauf der Geschichte maßgeblich zu verändern ohne es zu beabsichtigen. Vielleicht ist es auch Kalkül. Denn sollte es dieses Jahr zu einem Knall kommen, könnte er den Schlamassel noch seinem Vorgänger Barack Obama anlasten. Dieser häufte in seiner Amtszeit mehr neue Schulden an als alle seine Vorgänger zusammen! Je länger die Blase anhält und in die Amtszeit von Trump reicht, desto eher wird man ihn bei einem Platzen der Blase dafür verantwortlich machen.
Im Gegensatz zu Obama weiß Trump, dass die Märkte sich in einer Blase befinden. Mehr noch, er sagt es auch öffentlich. In einem Telefoninterview mit dem Finanznachrichtensender CNBC im August 2016 sagte Trump „It’s all a big bubble“ (link) und gab indirekt den Hinweis Aktien zu meiden.
Ein weiterer Grund könnte dafür sprechen, dass Trump nicht unbedingt auf einen schnellen Deal zur Anhebung der Schuldengrenze aus ist. Denn im Falle eines Government Shutdown geht die Budgetgewalt auf den Präsidenten über. Damit hätte er ein mächtiges Druckmittel gegen den Kongress, der ihm bekanntermaßen nicht sonderlich positiv gestimmt ist.
Der Sommer 2017 könnte extrem heiß werden und man sollte sich auf eine hohe Volatilität an den Finanzmärkten einstellen – Crashgefahr inbegriffen.
Best Case – Zinserhöhung
Im besten Falle wird es zu einer schnellen Einigung zur Anhebung der Schuldenobergrenze kommen, was aber die Chancen für sein bis jetzt nur vage formuliertes Konjunkturprogramm nicht unbedingt verbessert. Wie es zurzeit aussieht, wird die FED die Leitzinsen weiter anheben. Das nächste Meeting der FED ist, kaum zu glauben, für den 15. März 2017 angesetzt. Dass das Verhältnis zwischen FED und Trump nicht unbedingt das Beste ist, sollte bekannt sein. Trump kritisierte die FED in der Vergangenheit für die zu niedrigen Zinsen und die damit verbundenen Konsequenzen in der Realwirtschaft, er spricht von einer „false economy“ (falschen Wirtschaft). Die FED kann argumentieren, dass man mit der Zinserhöhung zwar spät komme, aber sie dennoch durchziehe, auch um die eigene Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen.
Damit bestehen für Donald Trumps Konjunkturpläne denkbar schlechte Finanzierungsbedingungen. Sollte keine Einigung über eine Anhebung der Schuldenobergrenze erzielt werden, haben sich die Pläne für die Erhöhung der Ausgaben für Infrastruktur, Militär und Steuersenkungen erledigt. Kommt es zu einer Einigung, bleibt fraglich wie diese im Detail aussehen wird und ob bei steigenden Zinsen weitere Konjunkturmaßnahmen finanzierbar sind.
Die Unsicherheit ist hoch und aktuell nicht in den Aktienmärkten eingepreist (die US-Aktienmärkte erklimmen gerade neue Allzeithochs).
Wer auf einen Crash spekulieren möchte, der findet gerade günstige Bedingungen vor. Die Volatilität ist niedrig und damit auch die Preise für Put-Optionen. Der schwarze Schwan hat sich sogar schon angekündigt.
Alle anderen sind gut beraten, die Finger von den Märkten zu lassen und eher in Cash zu gehen als sich mit Aktien einzudecken. Ich denke, es gibt aktuell keinen schlechteren Zeitpunkt für den Kauf von Aktien. Ob es sich lohnt, bestehende Aktienpositionen zu verkaufen, muss jeder für sich beantworten, denn abhängig vom Einstiegskurs, der aktuellen Dividendenrendite und der Abgeltungssteuer beim Verkauf ergibt sich für jede Position ein eigener Kurs, ab dem sich ein Verkauf lohnen würde.
Jedoch sollte man mit einem Verlust von 20 oder mehr Prozent umgehen können. Wer das nicht kann, sollte sich von seinen Titeln trennen und vielleicht wieder später im Jahr über ein Engagement am Aktienmarkt nachdenken.
In der aktuellen Phase werden die Geschehnisse an den Börsen fast ausschließlich von Zockern bestimmt, Value-Investoren haben sich schon längst verabschiedet. Die Gefahr bei vielen Dividenden-Investoren ist das blinde Vertrauen auf die Dividende. Sicher wird diese bei vielen guten Unternehmen auch weiterhin gezahlt werden, aber was nützen Dividendenausschüttungen, wenn der Titel erst einmal 30 Prozent im Minus ist. Die aktuell beste Strategie, und gleichzeitig auch schwerste, ist abzuwarten und auf bessere Einstiegskurse zu setzen. Langfristig bietet dieser Ansatz die höchsten Renditen, auch wenn man kurzfristig auf ein paar Dividenden und Kursgewinne verzichtet.
Es bleibt spannend,
Ihr Patrick Schubert