Die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik AB gehört zu den traditionsreichsten, aber zugleich dynamischsten Investoren Europas. Ursprünglich als klassisches Industrieholding gegründet, hat sich das Unternehmen über Jahrzehnte zu einem der wichtigsten Venture- und Wachstumsinvestoren des Kontinents entwickelt – mit Beteiligungen an zahlreichen erfolgreichen Start-ups, insbesondere im E-Commerce- und Tech-Sektor.
Vom Zalando-Investor zum modernen Venture Capital Player
Bekannt wurde Kinnevik vor allem durch frühe Engagements in europäischen Internetfirmen – darunter Zalando, das Aushängeschild der deutschen E-Commerce-Szene. Damals war das Unternehmen eng mit dem Umfeld von Rocket Internet verbunden. Auch wenn die Einstiegspreise in dieser Phase hoch waren, legte Kinnevik damit den Grundstein für seine heutige Ausrichtung als aktiver, langfristiger Wachstumsinvestor.
In den letzten Jahren hat sich die Strategie deutlich gewandelt: Neue Führungskräfte, ein klarer Fokus auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Gesundheit – und eine bewusst diversifizierte Beteiligungsstruktur. Damit positioniert sich Kinnevik als eine der wenigen börsennotierten Alternativen für Anleger, die indirekt in europäische und globale Start-ups investieren möchten.
Breites Portfolio mit klaren Wachstumstreibern
Das Portfolio von Kinnevik ist breit gestreut und umfasst aktuell rund 37 Milliarden SEK Net Asset Value (NAV). Die Marktkapitalisierung liegt jedoch nur bei etwa 25 Milliarden SEK – was einem Abschlag (Discount) von rund 30 % auf den inneren Wert entspricht. Da ein erheblicher Teil der Bilanz aus echtem Cash besteht, ist der effektive Abschlag auf die Beteiligungen sogar noch höher.
Zu den spannendsten Beteiligungen zählen:
- TravelPerk – eine Plattform für Geschäftsreisen, die Firmen ein einfaches, digitales Reisemanagement ermöglicht.
- Spring Health – ein US-Startup im Bereich Mental Health, das digitale Therapielösungen anbietet.
- Cleo – eine Finanz-App, die junge Nutzer beim Geldmanagement unterstützt.
- Renewable- und ESG-Investments, die Kinneviks Engagement im Bereich nachhaltige Technologien stärken.
Natürlich hat Kinnevik auch Fehlinvestitionen hinter sich – etwa in Global Fashion Group oder einzelne Biotech-Projekte. Doch wie bei jeder Venture-Gesellschaft gilt: Einige wenige erfolgreiche Beteiligungen können die Verluste vieler anderer mehr als ausgleichen.
Makrotrend: Europas Start-up-Szene erwacht
Kinnevik profitiert von einer sich stabilisierenden europäischen Start-up-Landschaft. Nach Jahren der Bewertungsrückgänge normalisieren sich die Multiples, und erste Exits über dem NAV deuten an, dass die Bewertungsansätze konservativ geworden sind.
Europa bietet zudem strukturelle Vorteile: Geringere Lohnkosten, ein wachsendes Ökosystem an Tech-Hubs und politische Unterstützung für Innovation. All das spielt Investoren wie Kinnevik in die Karten, die Kapital, Erfahrung und Netzwerke kombinieren.
Bewertung, Chancen und Risiken
Aktuell notiert die Aktie deutlich unter ihrem Substanzwert, was für langfristige Anleger attraktiv ist. Kinnevik hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es in Boomphasen überproportional profitiert: In den Jahren 2008 bis 2013 etwa vervielfachte sich der Kurs.
Sollte sich der Trend steigender NAVs fortsetzen und Europas VC-Markt wieder an Fahrt gewinnen, wäre ein Kursziel im Bereich von 200 SEK mittelfristig realistisch – ein Aufwärtspotenzial von rund 46 % gegenüber dem aktuellen Niveau. Kombiniert mit einem möglichen jährlichen Wertzuwachs der Beteiligungen von 10–15 % ergibt sich ein theoretisches Renditepotenzial von 20–30 % pro Jahr.
Fazit: Der „sichere“ Weg ins europäische Venture Capital
Kinnevik ist kein reiner Risikoinvestor, sondern ein balancierter Wachstumsfonds in Aktienform. Das Unternehmen verbindet Venture-Charakter mit konservativer Kapitalstruktur – inklusive einer starken Cash-Position und erfahrenem Management.
Für Anleger, die an das Comeback europäischer Start-ups glauben, bietet Kinnevik eine liquide, diversifizierte und rabattierte Einstiegsmöglichkeit in die Welt des Venture Capital – ohne selbst in einzelne, illiquide Start-ups investieren zu müssen.
Hinweis: Der Autor ist indirekt über Fondspositionen in Kinnevik investiert. Dieser Artikel stellt keine Anlageempfehlung dar.