eToro geht an die Börse: Realistische Bewertung und ambivalentes Geschäftsmodell
Nach mehreren Jahren voller Gerüchte, geplatzter Pläne und ambitionierter Bewertungen ist es nun offiziell: eToro ist an der Börse. Der Online-Broker, der besonders während des Corona-Booms durch massive Werbekampagnen und aggressives Wachstum auffiel, hat kürzlich seinen Börsengang vollzogen – diesmal erfolgreich und mit einer deutlich gemäßigten Bewertung.
Börsengang im zweiten Anlauf
Schon während des Pandemie-bedingten Hypes um Privatanleger plante eToro einen Börsengang, damals noch über einen SPAC (Special Purpose Acquisition Company). Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. Nun, rund zwei Jahre später, ist der IPO geglückt – allerdings zu einer Bewertung von etwa 5 Milliarden US-Dollar. Ursprünglich kursierten im Markt deutlich höhere Zahlen: 10 bis 20 Milliarden USD waren 2021 als potenzieller Wert im Gespräch. Die neue, realistischere Marktkapitalisierung macht die Aktie nun zumindest aus fundamentaler Sicht interessanter.
Das Geschäftsmodell: CFD-Trading und Social Investing
eToro ist vor allem bekannt für sein CFD-Geschäft (Contracts for Difference). Anleger kaufen hier in der Regel keine echten Aktien, sondern spekulieren über Derivate auf Kursverläufe. Das ist steuerlich komplex und birgt für Einsteiger hohe Risiken. Kritiker bemängeln, dass das Geschäftsmodell stark auf kurzfristiges Trading und damit auf hohe Kundenfluktuation angewiesen ist – viele Nutzer verlieren schnell Geld und verlassen die Plattform wieder. Dadurch besteht ein ständiger Bedarf an neuen Kunden, was die langfristige Bindung erschwert.
Dennoch: eToro hat sich mit seinem Social-Trading-Ansatz auch eine loyale Community aufgebaut. Nutzer können anderen Tradern folgen und deren Trades automatisiert kopieren. Das kann – zumindest theoretisch – Anfängern den Einstieg erleichtern. Ob das in der Praxis funktioniert, bleibt umstritten. Wer auf Performance aus ist, findet Alternativen wie Wikifolio, wo Trader echte Zertifikate mit echter Performancegebühr handeln – ein Modell, das von einigen Experten als transparenter und nachhaltiger angesehen wird.
Finanzen und Bewertung
Im vergangenen Jahr erzielte eToro einen Gewinn von rund 270 Millionen USD – damit liegt der Broker im gleichen Bereich wie Wettbewerber XTB oder Plus500. Rechnet man ein moderates Gewinnwachstum von etwa 20 Prozent für 2025 ein, könnte der Gewinn bei rund 250 Millionen USD liegen. Bei einer aktuellen Bewertung von 5 Milliarden ergibt das ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von etwa 16 bis 20 – durchaus im Rahmen für einen profitablen Online-Broker mit wachsender Marke.
Auch wenn die Plattform selbst benutzerfreundlich und vom Design her überzeugend ist, bleiben Zweifel am langfristigen Potenzial des Geschäftsmodells. Die Abhängigkeit von volatilen Märkten – vor allem im Krypto-Bereich – macht eToro zu einem zyklischen Investment.
Fazit: Beobachten statt blind kaufen
Der eToro-Börsengang kommt spät, aber solide bewertet. Wer langfristig investieren will, sollte sich jedoch kritisch mit dem Geschäftsmodell auseinandersetzen. Die Kombination aus Social Trading, CFD-Geschäft und wachsender Markenbekanntheit ergibt ein interessantes, aber risikobehaftetes Gesamtpaket. Für Investoren könnte die Aktie auf der Watchlist landen – ein direkter Einstieg wäre vielleicht eher bei einer Korrektur des Kurses sinnvoll.