Das letzte halbe Jahr war eines der schwierigsten seit langem an den Börsen, da viele verschiedene Faktoren auf die Kurse gewirkt haben, bzw. die Anleger beschäftigt haben. Zwar sind einerseits die Gewinne der Unternehmen, gerade in Deutschland, sehr stabil und steigend und auch die generelle wirtschaftliche Verfassung positiv. Die wichtigen Faktoren wie Zinskosten, Währung und Energiekosten befinden sich auf historischen Tiefständen was die Anlage in Aktien eigentlich begünstigen sollte.
Auf der anderen Seite kam eine Krise nach der anderen. Zuerst beschäftigte das Drama um Griechenland monatelang die Öffentlichkeit, was erst die Kurse gar nicht interessierte, dann offenbar doch, obwohl der Effekt auf das für die langfristige Entwicklung von Aktien Entscheidende, die Unternehmensgewinne, eher sehr bescheiden ist. Dies gilt allerdings nicht für die darauffolgende Krise in China, deren Börsenkurse massiv einbrachen, was aber vor allem für die Heimatsbörsen galt, die zuvor auch natürlich stark gestiegen sind. Zwar mag sich die chinesische Konjunktur überhitzt haben und die Umstellung der Wirtschaft von Stahl und Kohleindustrie hin zu Dienstleistungen, Konsum und erneuerbare Energien kann zu einer Delle führen, langfristig ist es aber das Richtige. Das problematische für China ist eher die ein Kind Politik und die damit verbundene Vergreisung, was man aber erst in 5-10 Jahren merken sollte. China ist ohne Frage ein ganz wichtiger Exportpartner für die deutsche Wirtschaft, so verkaufte beispielsweise BMW in China mehr Autos als in Deutschland, aber man darf auch nicht vergessen, dass beispielsweise 5 % Wachstum in China, genauso viel in absoluten Maßstäben ist, wie 10 % vor einigen Jahren, da die Wirtschaft bereits schon so stark gewachsen ist. Gerade wenn man sich die privaten chinesischen Unternehmen in aufstrebenden Branchen wie Internet und Cleantech anschaut, ist hier kein Ende des Booms abzusehen, dies betrifft eher große vom Staat kontrollierte Firmen, in die man auch nicht investieren sollte.
Nachdem sich in China gerade ein Boden gebildet hat, kann die nächste Hiobsbotschaft um die unselige Volkswagen Affäre. Dies ist ein Paradebeispiel wo kurzfristiges Gewinndenken, sowie das Ziel zum größten Automobilbauer der Welt aufzusteigen, ohne unbedingt auf die Profitabilität und Langfristigkeit zu denken zu einem starken Bumerangeffekt wird. Die Folgen sind hierbei noch nicht abzusehen, sollten aber die Umstellung auf das Elektroauto und alternative Antriebe eher beschleunigen und könnten sogar zu einer Aufspaltung des Konglomerats führen, was aus Aktionärssicht sowieso wünschenswert wäre, da Audi, Porsche und Volkswagen unterschiedliche Zielgruppen haben und alleine an der Börse wohl auch mehr wert wären.
Dazu kommt die Angst vor einer amerikanischen Zinswende, was aber eigentlich übertrieben ist, da eine positive Zinswende historisch normalerweise eine neue Boomphase einleitet, da der Wirtschaft es ja gut geht, was zu steigenden Kursen und Bewertungen führt. Auch das medial sehr präsente Thema Flüchtlinge, mag zu Unsicherheiten beitragen, die Investitionen werden aber von der öffentlichen Hand getragen, während für Unternehmen eher neue Konsumenten und Arbeitskräfte interessant sind, weswegen der Effekt für die Wirtschaft eher positiv sein sollte, zumal es nach Europa eh die fitteren und bessergestellten überhaupt schaffen. Die gesellschaftliche Integration ist natürlich ein anderes Thema, aber nicht was die Börsen und Unternehmensgewinne beeinflussen sollte.
Man sollte also nicht den Fehler machenm zu viel auf Schlagzeilen, wie beispielsweise Syrien zu geben, denn kurzfristig sinken Kurse, wenn Anleger verkaufen und steigen die Aktienkurse, wenn Anleger kaufen. So einfach ist das. Die Ursachen für die Verkaufswellen sind natürlich vielfältig, man darf aber nicht vergessen, dass gerade deutsche Aktien und der DAX vor allem im Besitz ausländischer Anleger sind.
Nach dem Hoch Mitte April kam einerseits die schwächeren Börsenmonate des Sommers, andererseits auch zu einer Trendumkehr, da viele Hedge Fonds und Trader diese Strategie verfolgen, kam es dann zu einem selbstverstärkten Effekt. Dies hat mit der wirtschaftlichen Entwicklung im Normalfall nichts zu tun. Ein weiterer Grund ist die bereits angesprochene Zinswende, weswegen amerikanische Anleger verstärkt Gelder aus Europa und den Schwellenländern abziehen und wieder in der Heimatmarkt investieren. Dies hat aber ebenso wenig eine Aussagekraft über die wirtschaftliche Stärke der jeweiligen Länder. Was ebenso zu beachten ist, dass viele der internationalen Investoren aus den Golfstaaten oder auch anderen Förderländer wie Norwegen kommen, die in internationalen Aktien ihre Gewinne angelegt haben. Der niedrige Ölpreis führte nun zu Verlusten und zu der Notwendigkeit, dass beispielsweise Saudi-Arabien massiv Assets verkaufen und sogar Anleihen emittieren musste, um den ausufernden Sozialstaat, sowie die militärischen Abenteuer zu bezahlen. Diese Länder traten also nicht mehr als Käufer, sondern als Verkäufer auf den Aktienmärkten auf.
Dies sind Erklärungen, die zu einem doch Kurssturz von fast 25 % im letzten halben Jahr geführt haben, was doch sehr beachtlich ist, dass selbst nach der Finanzkrise 2008, wo die deutsche Wirtschaft wirklich einbrach und die Weltwirtschaft in ihren Grundfesten gefährdet war dieser „nur“ ca. 50 % betrug. Der aktuelle Einbruch ist aber meiner Meinung nach mehr den Kapriolen der Börse geschuldet, als der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung.
Im letzten Jahr gab es ebenfalls einen eher unerklärlichen Absturz des DAX auf ca. 8600 Punkte, wo dann Mitte Oktober eine starke Gegenbewegung aufrund der Politik der EZB einsetzte. Ob dieses Jahr dies so wiederkommen wird ist natürlich fraglich, die fundamentalen Voraussetzungen für eine Jahresende Rallye sind jedoch vorhanden. Aktien sind nämlich nicht überbewertet, wenn man sich beispielsweise den Zehn Jahres Chart des EuroStoxx 50 anschaut, notiert man noch deutlich im Negativen, woran man auf die Grenzen des ETF Investierens erkennen kann, auch wenn in diesen Index die Dividenden nicht enthalten sind.
Ich bin also verhalten optimistisch für die nächsten Monate, gerade da auch seitwärts tendierende Märkte für attraktive Nebenwerte, in die ich mit meinem Wikifolios investiere, nicht schlecht sind.
Mit bestem Gruß
Philipp Haas