Sehr geehrte Dividenden-Investoren,
seit meinem letzten Eintrag in diesem Blog sind nun gut drei Monate vergangen und die Aktienmärkte in Europa und den USA bewegen sich weiterhin nach oben. Gerade in den USA wird die Luft immer dünner. Die Kursgewinne des S&P 500 werden nur noch durch ein Prozent(!) der Aktien getragen.
Der S&P 500 hat keine Aussagekraft!
Wie wolfstreet.com (link) berichtet, hat die Marktkapitalisierung der berühmt-berüchtigten FAANG-Aktien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Alphabet (ehemals Google) seit März um 260 Milliarden US Dollar zugelegt, während der restliche Markt (immerhin 99% aller Aktien im Index) 260 Milliarden verlor. Die nunmehr seit 8 Jahren andauernde Hausse am US Aktienmarkt wird nur noch von einem Prozent der Aktien getragen.
Dass sich der US Aktienmarkt in einer Blase befindet, sollte mittlerweile bei Allen durchgesickert sein. Unternehmen mit Gewinnen werden teilweise mit sehr hohen KGVs bewertet. Zum Beispiel kostet eine Coca Cola Aktie etwa das 32-fache des Gewinns des vergangenen Jahres. Hier kann man nicht mehr von günstig sprechen!
Dividenden-Aktien als Alternative zum Tagesgeld?
Die Nullzins-Politik der Notenbanken hat die Renditen bei Anleihen und Tagesgeld auf Null bzw. in den negativen Bereich gedrückt. Lebensversicherungen bringen schon lange keine Rendite mehr, Immobilien sind kompliziert und in den interessanten Lagen viel zu teuer. Edelmetalle sind sehr volatil und bieten keinen Cash Flow. Was bleibt also – Dividenden-Aktien?
Prinzipiell ja, aber aktuell zu teuer, um damit langfristig eine Rendite zu erzielen, die über der eines Index liegt. Die aktuell 3% Dividendenrendite bei Coca Cola klingen zwar attraktiv im Vergleich zu 0,1% bei Tagesgeld, führen aber in die Irre, da die Dividenden aktuell aus der Substanz des Unternehmens und durch Kredite finanziert werden.
Der Umsatz bei Coca Cola ist seit 2012 rückläufig und von 48 Mrd. in 2012 auf 41,8 Mrd. US Dollar im Jahr 2016 gefallen (-12,9%). Auch der Gewinn pro Aktie (EPS – Earnings per Share) ist im selben Zeitraum um 24%(!) gefallen. Gleichzeitig steigen die Verbindlichkeiten. Das Verhältnis Schulden zu Eigenkapital lag im Jahr 2012 bei 160% und liegt mittlerweile bei 250%.
Als Eigentümer einer Coca Cola Aktie hat man zunehmend ein durch Financial Engineering gehebeltes Produkt im Depot und kaum noch ein solides, konservativ finanziertes Unternehmen.
Coca Cola ist exemplarisch für viele Unternehmen – die Umsätze und Gewinne stagnieren bzw. fallen, während die Dividenden steigen, möglich gemacht durch günstige Finanzierungsbedingungen an den Kapitalmärkten.
Das Verhältnis Gewinn zu Risiko ist bei den großen, bekannten Dividendenaristokraten wie Coca Cola, P&G etc. aktuell ungünstig. Kleine und weniger bekannte Unternehmen können hier Abhilfe schaffen, aber diese verlangen mehr Knowhow und Aufmerksamkeit, daher sind sie für den durchschnittlichen Anleger als Investment eher ungeeignet.
Ist diesmal alles anders?
Befürworter der These, dass es keine Alternative zu Aktien gibt, seien an die Zeit der Nifty Fifty erinnert. Das war die Zeit der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als bekannte Dividenden-Aktien wie Coca Cola mit einem KGV von 42 gehandelt wurden. Der Preis einer Coca Cola Aktie und mit ihm das KGV erreichte gegen Ende 1972 seinen Höhepunkt. Danach brachen die Kurse ein und die Aktie verlor bis 1974 über 60% ihres Wertes. Der S&P 500 büßte 48% seines Wertes ein.
In der Geschichte des Aktienmarktes wechselten sich Phasen hoher Bewertung immer mit Phasen niedriger Bewertung ab. Das eiserne Gesetz zwischen Preis und Rendite gilt immer, auch wenn es manchmal über einen längeren Zeitraum so aussieht, als ob es „diesmal anders“ ist. Die Begründungen variieren immer mit dem Zeitgeist.
„Es sieht so aus, als ob Aktien ein permanent hohes Plateau erreicht haben.“ – Irving Fisher 1929, Yale Volkswirt
Ende der 1990er Jahre dienten die schier unendlichen Möglichkeiten des Internets als Begründung für absurde Unternehmensbewertungen. In den Jahren bis zum Ausbruch der Finanzkrise von 2008 wurden niedrige Zinsen und stetig steigende Immobilienpreise als Begründung herangezogen. Seit 2009 sind es die Nullzinsen und der daraus resultierende Anlagenotstand.
Die These ist, dass die Notenbanken die Zinsen aufgrund der hohen Verschuldung der Staaten nicht mehr anziehen können. Und wenn, dann nur in homöopathischen Dosen. Niedrige Zinsen begünstigen Aktien und machen sie im Vergleich zu anderen Anlagen attraktiv. Außerdem reagieren die Notenbanken auf jeden Einbruch mit neuen Geldspritzen und verhindern damit einen Crash.
Sind Sie ein Glücksritter oder professioneller Spieler?
An den Aktienmärkten gilt: eine These ist solange gültig, bis sie es nicht mehr ist. Einen Einbruch kann es jederzeit geben. Ob er morgen, in einem Monat oder erst nächstes Jahr eintritt, ist nachrangig. Wichtig ist die Analyse der eigenen Portfolioausrichtung und wie man auf eventuelle Kursverluste reagiert. Ist man nicht in der Lage Kursverluste zu verkraften, dann sollte man die Chips vom Tisch nehmen und sich verabschieden. Der Unterschied zwischen einem professionellen Spieler und einem Glücksritter ist, dass der Profi weiß, wann er sich auf das Spiel einlassen muss und wann es besser ist, dem Spieltisch fern zu bleiben. Ich persönlich habe weitere Positionen verkauft und große Teile des Musterportfolios aufgelöst. Des Weiteren glaube ich nicht unbedingt an einen Crash, in dem es an einem Tag um 30% nach unten geht, sondern eher an eine Seitwärtsbewegung mit immer wiederkehrenden Einbrüchen.
Der Aktienmarkt lehrt Demut und im Prinzip ist alles jederzeit möglich. Erst rückblickend wird man die Begründung für einen Crash ausmachen können. Anlässe gäbe es genügend: geopolitische Spannungen in Asien und dem Nahen Osten, Überschuldung der Industriestaaten, zunehmender Protektionismus, eine Notenbankpolitik, die langsam an ihre Grenzen stößt usw.
Japanische Verhältnisse?
Die Notenbanken haben enorm viel Liquidität in die Märkte gepumpt und viele Anleger werden, solange ausreichend liquide Mittel vorhanden sind, der Buy-the-Dip Strategie folgen. In der Folge werden Kurseinbrüche schnell wieder ausgeglichen werden. Diesen Ablauf kann man schon seit 2015 an den Bewegungen des Dax sehen. Immer, wenn es zu einem starken Einbruch kam, sprangen Anleger in die Bresche und drückten den Index wieder nach oben. Die Stimmung ist trotz aller Risiken im Gesamtsystem weiterhin optimistisch.
Dax – Entwicklung seit 2014
Quelle: www.ing-diba.de
Für eine langfristige Betrachtung könnte der japanische Aktienmarkt (Nikkei 225) dienen. Nach dem Platzen der japanischen Immobilienblase Ende der 1980er gab es immer wieder eine Auf- und Abwärtsbewegung. In der Tendenz bewegt sich der japanische Aktienmarkt aber seit über 20 Jahren seitwärts. Japan ist das Paradebeispiel, warum man langfristig nicht immer mit steigenden Kursen rechnen sollte. Die oftmals viel beschworene Kaufen-und-Halten Strategie, die fast ausschließlich auf Kurssteigerungen beruht, funktioniert unter japanischen Bedingungen nicht!
Nikkei 225 – Entwicklung seit 1984
Quelle: finance.yahoo.com
Japan versucht seit über zwei Dekaden, strukturelle Probleme in der Gesellschaft und Wirtschaft mit billigem Geld zu lösen. In der Folge stagniert die japanische Wirtschaft und mit ihr der japanische Aktienmarkt. Für Dividenden-Investoren kann ein Salami-Crash, wie in Japan von 1990 bis 2012, durchaus interessante Möglichkeiten zum Einstieg und zur Akkumulation von Dividendenaktien bieten – Nervenstärke vorausgesetzt.
Solange Notenbanken die Nullzinspolitik fortführen und massiv an den Finanzmärkten intervenieren, ist mit einem großen Einbruch kaum zu rechnen, sondern eher mit japanischen Verhältnissen. Günstigere Kaufgelegenheiten sollten sich danach ergeben. Potenzielle Anleger, die noch keine Aktien in ihrem Depot halten, sollten zurzeit nicht damit anfangen, in Aktien zu investieren. Egal ob direkt oder über einen Fonds oder ETF, das Chance-Risiko-Verhältnis ist ungünstig. Viele KGVs sind am oberen Ende des Spektrums und ein Sinken des Bewertungsniveaus ist längst überfällig. Auch diesmal ist es nicht anders, das eiserne Gesetz zwischen Preis und Rendite gilt immer!
Es bleibt spannend,
Ihr Patrick Schubert