Entgegen den Erwartungen stieg die Inflation in den USA weiter an im August, was zwar dank fallender Energiepreise nur 0,1% war, aber für den Markt „besonders schlimm“ ist, da man mit Peak Inflation gerechnet hat. Dass wegen diesem nachlaufenden Faktor, der natürlich auch nicht 100% genau ist, die Märkte so stark nachgeben zeigt aber auch, dass wir uns immer noch in einem sehr schwierigen Markt und dem schlechtesten Börsenmonat befinden, dem aber die besten Börsenmonate folgen („But remember come back in September“). Die Angst vor der FED ist da, aber ich gehe davon aus, dass die FED nicht nur etwas nachlaufenden Faktoren wie Inflation betrachtet, sondern auch Frühindikatoren, wie Frachtraten (FEDEX Gewinnwarnung) und Rohstoffpreise wie Kupfer, die bereits ein anderes Bild zeichnen. Makroereignisse sind auch so schwierig, da selbst wenn man sie richtig vorhersagen würde, die Marktreaktion oft nicht so ausfällt wie erwartet.
Hätte man den Inflationsreport zum Jahresanfang in den Händen gehabt, wäre einem wohl nicht so viel geholfen, bzw. hätte ich nicht viel anders investiert. (Siehe 30 Inflationsaktien vor 17 Monaten, wo ich auch vor der hohen Geldmenge warne). Bei hoher Inflation will man keine Anleihen haben und eigentlich auch nicht viel Cash und Immobilien. Ein Mix aus profitablen Asset-Light Aktien wie Software/ Internet und Rohstoffe und Rohstoffaktien wäre wohl der m.E. beste Mix. Aber selbst Gold hat in US-Dollar auf Jahressicht verloren.
Aber was sind nicht nur meiner Meinung nach die Gründe für die hohe Inflation? Ich habe einmal 10 Gründe für die Inflation zusammengetragen
1. Geldmengenausweitung während der Coronakrise, bzw. hohe staatliche Investitionen bei einer bereits in den USA heißgelaufenen Wirtschaft. Menschen, die sich Ökonomen nennen in Deutschland dürfen behaupten, dass die Geldmengenausweitung keine Auswirkung auf die Inflation hat und glauben damit rechtfertigen zu können, dass mit Staatsausgaben alle möglichen sozialen Träume finanziert werden können. Dabei wird nicht verstanden, nur weil die Inflation auch aus anderen Gründen bei Geldmengenausweitung einmal niedrig blieb, dies nicht bedeutet, dass dies kein Effekt hat, was ja schon der gesunde Menschenverstand sagt. Wenn es in einem Dorf 100 Goldstücke und 100 Kühe gibt und es plötzlich 200 Goldstücke gibt, dann wird der Preis für Kühe steigen, ohne dass das Dorf reicher geworden ist. Diese Erfahrungen machte z.B. auch Spanien, deren Goldfunde in Lateinamerika zu Inflation in Europa führte und nicht zu mehr Produktivität. Denn letztendlich wird ein Land durch harte Arbeit mit guten Ideen, ausreichend Kapital und politischer Stabilität (Oder kurzfristig Rohstoffen) reich, was anscheinend immer mehr in Vergessenheit gerät.
2. Mehr staatliche Unterstützungen bzw. hohe Steuern, die in Deutschland mit dem Bürgergeld weiter ausgeweitet werden sollen. Wenn jemand im Niedriglohn-Sektor genauso viel bekommt, wie von staatlichen Unterstützungen, dann ist es klar, dass Firmen Probleme haben Mitarbeiter zu finden. Wenn sie dann die Löhne anheben, steigt die Inflation. Linke Verteilungspolitik wie das Bürgergeld werden so zum ungünstigsten Zeitpunkt zum weiteren Inflationstreiber. In den USA sind wohl auch die Stimulus Checks für die Inflation verantwortlich. Insgesamt ist im Westen die Wirtschaftspolitik wie in den 70ern linker geworden, was inflationstreibend ist. Auch können hohe Steuern dazu führen, dass sich Mehrarbeit weniger lohnt. Ein Grund damals meinen Job zu kündigen war auch, dass ich wegen Mieteinnahmen über 50% meines Bruttoeinkommens abgeben musste.
3. Steigende Energiekosten, die sich langsam auf alle physischen Produkte auswirken und nicht nur auf das Tanken direkt. Diese sind u.a. natürlich durch den Krieg angezogen, aber auch bereits davor durch staatliche Eingriffe wie Atomausstieg und Bestrebungen aus Umweltsicht Investitionen in Öl&Gas zurückzufahren. Erneuerbare Energien sind zwar extrem günstig geworden, leiden aber an ihrer fehlenden Grundlastfähigkeit. Energie sollte mit einem Kriegende bzw. Regimewechsel in Russland weiter nach unten kommen und zumindest Öl hat wohl seinen Peak gesehen und auch die Gaserpressung aus Russland scheint weniger zu funktionieren.
4. Nachlaufende Coronaeffekte mit „Revenge Travel“ und Konsum, der auf geringe Kapazitäten trifft, die nach Corona abgebaut worden sind. Nachdem die meisten während Corona wenig Geld für Urlaub und Essen gehen ausgeben konnten und auch gespart worden ist, führt dies zu der Einstellung, dass man sich wieder etwas gönnen möchte. Auf der anderen Seite fehlen dann Kapazitäten im Tourismus etc., was die Preise treibt. Auch der ein oder andere hat Angst vor Corona und will lieber nicht arbeiten.
5. Steigende Transport und Rohstoffkosten, die jedoch stark am Fallen sind. Das Urlaubsgeld wurde während Corona dann oft in physische Produkte angelegt, was jedoch auf gebrochene Lieferketten wegen Corona Lock-Downs traf. Dies sollte aber auch langsam durch sein und wenn die hohen Lager abverkauft werden, sollte das deflationär wirken.
6. Deglobalisierung. Mit den Ukraine Krieg kam das Szenario einer zweigeteilten Welt hoch. Aber bereits davor war das Wachstum in China mehr von der Binnenkonjunktur getrieben und der Trend zum Nearshoring nahm Fahrt auf. Die Globalisierung hat Kosten gesenkt, da Firmen weltweit verkaufen konnten und daher die Fixkosten sich auf mehr Volumen verteilt. Eine Umkehr würde daher die Inflation eher befeuern. Allerdings gibt es auch positive Szenarien wie ein Politikwechsel in Russland und dass Xi keine 3. Amtszeit bekommt. Letztendlich sollte auch ein Generationenwechsel helfen, denn die nächsten Politiker sind wohl nicht mehr im kalten Krieg sozialisiert worden.
7. Immobilien und Mietpreise. Der auf den ersten Blick klarste Effekt von steigenden Zinsen gäbe es im Immobiliensektor, wo deswegen die Kaufpreise herunter kommen. Da aber die Gesamtkosten für den Immobilienkauf mit den höheren Zinsen immer noch deutlich höher sind als zuvor, können sich immer weniger Menschen den Immobilienkauf leisten. Dies treibt dann mehr Menschen auf den Mietmarkt, weswegen die Mieten steigen. Steigende Zinsen könnten also auch hier gar nicht inflationslindernd wirken.
8. Demographie. Das größte Problem für Europa ist eigentlich die Demographie. Darüber will die Politik aber lieber nicht reden und es ist auch für eine Demokratie delikat, da Rentner eine immer wichtigere Wählergruppe darstellen. Die ersten Jahrgänge der Babyboomer gehen nun in Rente, was man überall auf dem Aktienmarkt merkt. Alte Leute die während Corona ihren Job aufgegeben haben, fangen nun auch nichts mehr Neues an. Dies ist aber ein strukturelles Problem und würde nur durch eine große Rezession und Deindustrialisierung gelöst. Auch hier wäre wohl die Medizin schlimmer als die Krankheit.
9. Bitcoin und Aktienspekulationen. Zumindest in den USA haben wie im 2000er Boom einige Menschen ihren Job aufgegeben um Bitcoin / Krypto und Meme Aktien zu traden. Diese Leute fehlten dann auch dem Arbeitsmarkt, was sich aber auch wieder auflösen sollte.
10. Great Resignation. Die jüngere Generation im Westen ist in einem großen Wohlstand aufgewachsen, für die Arbeit nicht mehr alles ist und mehr die Selbstverwirklichung in den Vordergrund stellen. Vielleicht hat man auch bei den Eltern gesehen, dass deren Weg nicht für einen ist und möchte das anders machen. Man muss bei Verallgemeinerungen von Generationen immer vorsichtig sein, aber das Arbeit über allen steht, wie noch bei der Generation der Großeltern ist weniger anzutreffen. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Produktivität, bzw. dem Angebot an Arbeitsstunden. Bürokratie wie Arbeitszeiterfassung und Volkaskomentalität helfen dabei natürlich auch nicht.
Die Frage ist dabei wie vorübergehend die Gründe für die Inflation sind und ob steigende Zinsen alleine dabei helfen, diese einzufangen. Nachdem der Fehler gemacht worden ist die Geldmenge zu stark auszuweiten, könnte die FED den nächsten Fehler machen, indem die Medizin schlimmer ist als die Krankheit in dieser Krise. Da die EZB und Bank of Japan (noch) nicht mitziehen und China in die andere Richtung geht, wirkt nämlich der steigende Dollar deflationär und wird den Job steigender Zinsen in den USA auch weiter erschweren, da zunehmend politischer Gegenwind aufkommt. Aber wie man sieht, gibt es sehr viele Effekte und Auswirkungen, was Prognosen schwierig macht.
Was bedeutet das meiner Meinung nach für die Aktienmärkte? Inflation ist für viele Aktien wie gesagt nicht schlecht. Nur steigende Zinsen sind es. Sobald der Zinsanstieg sich stabilisiert, wird es m.E. dazu kommen, dass Investoren merken, dass Aktien Inflationsschutz bieten, was dann zusammen mit dem sehr negativen Sentiment zu einer wirklichen starken Erholung bei vielen Werten führen sollten. Man darf nicht vergessen, dass der Bärenmarkt bei Tech schon 1,5 Jahre läuft und wir uns daher eher in der Endphase befinden. Für den US Gesamtmarkt mag das anders sein, was dann aber wieder viele Chancen für globale Stockpicker bietet. Dazu könnte auch Energie und Rohstoffe gehören, wie man das mit 10 Lithium Aktien abdecken könnte.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Haas
P.S. Hier gibt es noch 30 Inflationsschutzaktienideen: